Jahrgang 2024
Und wieder kein normales Jahr.
Nach endlich mal wieder ausreichenden Winterniederschlägen ging es im Frühjahr sehr nass weiter (Jan-Mai 247 mm), sodass wir mit einer lange nicht mehr da gewesenen Feuchtigkeit in die Vegetation starteten. Eigentlich also perfekten Startbedingungen für den neuen Jahrgang. Der Winter und das Frühjahr starteten aber auch abgesehen von zwei kalten Wochen im Januar deutlich zu warm und so fingen die Reben in der warmen Phase Anfang April an auszutreiben. Der zirka zweieinhalb Wochen frühere Austrieb nährte natürlich die Sorgen vor Spätfrost, welcher bis Anfang Mai nichts Außergewöhnliches ist. So kam es wie es kommen musste. Die zweite Aprilhälfte wurde deutlich kühler und die Wettervorhersage für den 22. und 23. April sagte Frost von ein bis zwei Grad Minus bei uns voraus. Naja, das ist ja nicht so kalt und wird wohl nur zu leichten Schäden in den üblichen Frostlagen führen, so dachte man. Aber es kam anders, denn die Art des Frostes war eine völlig andere. Es war schlicht und einfach Winterfrost mit Reif durch Tau und Nebel, wobei die Eiskristalle des Reifs wahrscheinlich für den großen Schaden gesorgt haben. Dabei herrschten auf dem Boden wie auch in mehreren Metern Höhe Minustemperaturen. Auch bedingt durch diese Frostlage war es bei uns unten im Tal, wo es eigentlich bei Spätfrost am kältesten ist und die ehesten Schäden entstehen mit Minus 1,3 Grad gar nicht so kalt und es gab dort nur geringe Schäden. Denn wenn wir von Spätfrost sprechen, dann sprechen wir eigentlich immer von so genanntem Strahlungsfrost. Das heißt, dass sich die Kälte in klaren Nächten am Boden sammelt und von diesem abgestrahlt wird. Dadurch ist es dann direkt über dem Boden frostig, aber in zwei Metern Höhe meistens schon wieder Plus. Dann helfen auch die Frostkerzen, wie man sie vielleicht in den Nachrichten gesehen hat und welche wir selbst 2020 zum Schutz unserer Junganlage im Rosenberg eingesetzt haben, aber auch diese hätten in diesem Jahr nur bedingt geholfen, da die Feuchtigkeit zu hoch war.
Es war also ein völlig neues und zumindest mal die letzten Jahrzehnte nicht mehr vorherrschendes Frostereignis, wodurch niemand mit einem solchen Schadensausmaß gerechnet hat. So kann man bei uns sagen, dass wir auf einem Viertel der keinen bis nur geringen Schaden haben. Auf einem Viertel, also im Rosenberg einen Totalschaden und auf der restlichen Fläche Schäden von 30 bis 90 Prozent haben, teilweise auch innerhalb der Weinberge sehr unterschiedlich, je nachdem wie sich der Nebel hineingelegt hat.
All die geschädigten Flächen standen im Sommer wieder grün da, da dort jetzt Beiaugen als Notreserve des Rebstockes austrieben, welche normalerweise nicht austreiben. Allerdings hingen an diesen neuen Trieben, wenn überhaupt, nur ganz wenige Trauben, wobei die ganze Arbeit über das Jahr normal weiterlaufen musste, sonst würde man auch im nächsten Jahr weniger ernten.
Für den Sommer galt dann: „Wann wird´s mal wieder richtig Sommer…“
Man könnte ja jetzt sagen, das war doch ein typisch deutscher Sommer, doch er war schon deutlich zu kühl und zu feucht. Wir hatten vor allem in der ersten Hälfte des Sommers nur wenige Tage mit Temperaturen von über 30 °C, dafür aber unzählige Tage mit Temperaturen unter 20 °C, das war schon erstaunlich. Dabei war es häufig feucht, nie mit großen Regenmengen, aber in der Summe dann auch deutlich mehr als sonst im Sommer.
Dieses wechselhafte und kühlere Wetter ging dann auch an den Reben nicht spurlos vorbei. Die kühleren Temperaturen führten dazu, dass die Reben nur sehr langsam wuchsen und so waren die zweieinhalb Wochen Vegetationsvorsprung vom April sehr schnell aufgebraucht und wir bewegten uns eher wieder im langjährigen Mittel. Dabei fiel auf, dass die Reben auch gar keine Farbe bekamen, sondern lange Zeit bis Ende Juni nur hellgrün waren, obwohl durch das ausreichende Wasser eigentlich ja eine gute Nährstoffversorgung gewährleistet gewesen sein müsste. Nach ersten Blattsaftanalysen zeigte sich, dass Eisen-, Magnesium- sowie Calciummangel vorlagen, wahrscheinlich aufgrund der durch die kühlere Witterung geringeren Bodentemperaturen, wodurch auch das Bodenleben inaktiver war und die Wurzeln schlechter Nährstoffe aufnehmen konnten, obwohl sie eigentlich ausreichend im Boden vorhanden waren. Das kühle Wetter hatte auch Auswirkungen auf die Rebblüte, welche normalerweise in vier, fünf Tagen abgeschlossen ist, in diesem Jahr sich aber bis zu zwei Wochen hinzog. Dabei kam es teilweise zu deutlichen Verrieselungen, was heißt, dass aufgrund der schlechten Wetterbedingungen Beeren abgestoßen werden. Immerhin hatten wir dadurch lockerere Trauben, welche weniger fäulnisanfällig sind. Darüber hinaus hatten wir durch die Feuchtigkeit mit einem erhöhten Pilzdruck zu kämpfen, welcher in den anfälligeren Müller-Thurgau, sowie den frostgeschädigten Flächen, welche durch die Stresssituation des Frostes eine deutlich höhere Anfälligkeit zeigten, vor allem im Laub seine Spuren hinterließ. Allerdings waren auch die Nachzüglertrauben in den Frostflächen nicht gesund zu erhalten, da über den Sommer in Prinzip immer irgendeine Traube im Stadium perfekter Anfälligkeit für falschen Mehltau vorhanden war und somit in diesen Flächen die Infektionen immer aufgrund der Feuchtigkeit hin und her sprangen. An den Trieben, welche vom Frost verschont blieben konnten auch die Trauben bis zum Schluss gesund erhalten werden. Dieses Jahr zeigt uns dabei gut, wo der biologische Pflanzenschutz an seine Grenzen kommt, bzw. wie man noch besser hätte reagieren können und auf welchen Flächen wir über pilzwiderstandsfähige Rebsorten nachdenken sollten, um den Herausforderungen in solchen Jahren zu entgegnen. In dem Bezug konnten wir in diesem Jahr sehr viel lernen.
Ein mit 26 mm Niederschlag eher trockener August und mit für den Monat typischen Temperaturen sorgte nach 101 mm Niederschlag im Juli für Entspannung und ließ uns entspannt der Traubenlese entgegenblicken. Die Trauben präsentierten sich zum Monatswechsel August/September aufgrund ihrer lockerbeerigen Struktur sehr gesund. Was sich zu diesem Zeitpunkt auch zeigte waren deutliche Reifeunterschiede von unten nach oben am Hang, was zum einen durch die kühle Witterung im Sommer, aber auch durch den Frost hervorgerufen war. Da sich auch im September und Oktober keine allzu warmen Temperaturen einstellten, zumindest nicht in Kombination mit übermäßigem Regen, wobei es auch im September immer wieder feucht war bestimmte die Reife und nicht die Traubengesundheit den Leseverlauf. So starteten wir am 9. September mit Müller-Thurgau und am 24. mit Riesling. Die Rieslinglese zog sich aufgrund kühler Witterung bis zum 15. Oktober hin, wobei selbst 40 mm Niederschlag zwischen dem 9. und 11. Oktober den Trauben wenig zusetzte. So war die Traubenlese nach ca. 60 Prozent Frostschaden und nochmal 10 Prozent Mehltauschaden geprägt von deutlich weniger Lesetagen mit zum Teil Tageskleinstmengen über einen Zeitraum von über fünf Wochen. Die seit 2007 mit einem Durchschnittsertrag von 15 hl/ha kleinste Ernte bei uns im Weingut und zugleich erste BIO-Ernte präsentiert sich fruchtig mit lebendiger Säure und einem moderaten Alkoholgehalt.
Die Wildschweine blieben den Weinbergen aufgrund der Feuchtigkeit und einer Eichelmast fern, allerdings hat sich die Amselpopulation nach dem Amselsterben vergangener Jahre wieder deutlich erholt und so war ab Anfang Oktober deutlicher Vogelfraß vor allem durch Amseln zu beklagen und auch Rehe suchten mehr als sonst den Einstand in unseren Weinbergen.
Das letzte Jahr der Umstellung zum biologischen Weinbau war also vom Vegetationsbeginn an von großen Herausforderungen geprägt, aber so ist das nun mal bei der Produktion eines Naturproduktes. Diese Tatsache wurde uns in diesem Jahr wieder mit allen Facetten vor Augen geführt. Nichtsdestotrotz nutzten wir die Herausforderungen um uns im Umgang mit diesen weiterzuentwickeln und versuchen weiter den besten Weg beim Bodenmanagement zu finden. So nutzten wir die Feuchtigkeit Anfang September in den Flächen mit 100 Prozent Frostschaden, wo keine Lese stattfand und säten eine neue mehrjährige Begrünungsmischung aus, welche sehr gut auflief. Die weiteren Flächen folgten dann nach der Lese um weiter den Humusaufbau voranzutreiben und eine artenreiche Begrünung zu etablieren.
Je besser wir mit der Natur umgehen, desto besser wird unser Wein.